„Wir können nicht anders“

Monika Hoenen, 2. Vorsitzende

Liebe Mitglieder und Unterstützende von matteo,
aus der Lektion einer katastrophalen Geschichte setzte unsere Verfassung den Schutz der Würde jedes einzelnen Menschen genauso hoch an wie den Schutz des Lebens. Und unsere Rechtsprechung baut auf dem Grundsatz auf, dass der Schutz von Minderheiten und Schwächeren immer gewährleistet werden muss.

Das muss der Maßstab des Handelns bleiben. In diesem Sinne stehen wir weiterhin Geflüchteten bei und setzen uns dafür ein, dass dieser Maßstab konsequent durch entsprechende Regelungen angewendet wird.
Solange Menschen in Situationen kommen, in denen sie diesen Schutz durch Gesetze und Regelungen nicht erfahren, können wir nicht anders als einzuschreiten.

„Ich konnte gar nicht anders“…. sagte Benediktinerin Mutter Mechthild, als sie erfuhr, dass sie sich vor Gericht verantworten soll, weil sie Geflüchtete ins Kirchenasyl genommen hatte, um sie vor existentieller Gefahr zu bewahren und ihre Fälle neu klären zu lassen – in dem Vertrauen, dass dann auch unsere Gerichte erkennen werden, dass wichtige Umstände nicht ausreichend berücksichtigt wurden und Schutz gewährleistet werden muss.

„Ich kann nicht anders“… sagte vor kurzem Regionalbischöfin Dr. Greiner, als sie die Initiative ergriff und gemeinsam mit Anna Westermann und matteo eine Kooperation zum Schutz iranischer Christen startete. „Wir können nicht Menschen taufen und sie dann allein lassen, wenn Gerichte ihren Glauben bezweifeln“.

„Wir können nicht anders“…. sagen die „See Eye“-Mitglieder, die ihr Seenotrettungsschiff nach dem kleinen 3-jährigen Jungen benannt haben, der im September 2015 an den Strand angespült wurde: Alan Kurdi. Seine Eltern waren mit ihm vor Krieg und Folter geflohen. Gerade ist ein Buch über die Geschichte seiner Familie erschienen: „Der Junge am Strand“

In Zusammenhang mit den erbarmungswürdigen Geflüchteten von Moria wurde viel von „Überforderung“ gesprochen: zuallererst im Hinblick auf Griechenland, aber auch Deutschland dürfe sich nicht „wieder“ überfordern.

Aber was macht das mit uns, wenn wir nicht tun, wozu unser Mitgefühl uns zwingt? Was hingegen macht es mit uns, wenn wir das einzelne Schicksal sehen und Trost, Schutz, Perspektive, Hoffnung geben? Verständigung und Frieden wachsen. Welche kraftvolle Dynamik würde die Prioritäten und Beziehungsgefüge verwandeln, wenn Mitgefühl zu einem konsequent befolgten Grundprinzip von Politik würde? Wir ahnen, wie enorm viel sich wandeln würde. Eine Utopie? Es ist eine enorme Herausforderung, die verunsichern kann, die aber einer zerstörerischen Logik von Ignoranz und Fatalismus entgegenarbeitet.

Wer hingegen gegen Mitgefühl argumentiert und das einzelne Schicksal „wegrechnet“, befördert genau diese Logik, weil er/sie menschen-verachtend argumentiert und unser Fundament unterläuft – unser Fundament als Christen genauso wie als Bürger*innen.

Ich wünsche Ihnen schöne, gesegnete und nachdenkliche Herbsttage.
Ihre Monika Hoenen, 2. Vorsitzende von matteo – Kirche und Asyl e.V.